Unsere Legislaturperiode im Beirat Schwachhausen – ein kurzer Rückblick

Interview mit Barbara Schneider und Hucky Heck, 15. April 2019

 

Frage: Lasst uns zunächst auf die Beiratsarbeit im Ganzen schauen. Wie schätzt Ihr die letzte Amtsperiode ein?

Hucky: Der Beirat hat sich wirklich eine vernünftige Arbeitsatmosphäre geschaffen, durchgehend durch die ganze Legislaturperiode. Natürlich gab es mal den einen oder anderen Ausrutscher, aber sonst war das eine wirklich angenehme Zusammenarbeit. Mit einer gewissen Achtung des einen oder anderen. Das ist für einen Beirat nicht unbedingt normal. Es wurde übrigens auch wenig gekungelt, es gab eine große Transparenz. Wir haben darum stark bemüht, z. B. in unseren Rollen als Sprecherin oder Sprecher immer alle gleich angeschrieben und informiert.

Barbara: Ja, wirklich. Auch wenn wir an bestimmten Punkten mal unterschiedlicher Auffassung waren – das war etwa deutlich der Fall bei den Parkplätzen am Schwachhauser Ring – dann lief das überwiegend in einem vernünftigen Umgang miteinander ab.

Hucky: Der größte Erfolg des ganzen Beirats war wirklich diese Einstimmigkeit und Gemeinsamkeit bei der Frage der Unterbringung der Flüchtlinge. Und dies auch in der Vor- und Nachsorge. Das war das Highlight überhaupt dieser Legislaturperiode.

Barbara: Bei durchaus großen Bedenken der Anwohnerschaft nahe den Unterkünften. Da war der Beirat komplett einer Meinung, und das hat sicher mit dazu geführt, dass die Bevölkerung sich so solidarisch verhalten hat. Es gab ein riesiges ehrenamtliches Engagement.

Hucky: Dass da auch das eine oder andere kritische Wort fällt, ist völlig in Ordnung. Das kann ja auch gar nicht anders sein.

 

Wie einig war sich der Beirat denn sonst? War das auch beim Thema Verkehr der Fall?

Barbara: Nein, da nicht immer. Da gibt es zwei Lager. Die Autofahrerpartei CDU, und die FDP, die zwar oft vernünftig ist und auch mal nachdenklich sagt, da ist was dran, was die Grünen sagen. Trotzdem stimmt sie meist mit der CDU. Bei der SPD weißt Du nie, woran du beim Verkehr mit ihr bist. Mal ist sie für Beschränkung und Bekämpfung von Auswüchsen, mal ist sie wieder bei der CDU. Aus grüner Sicht, es ist Wahlkampf.

 

Gab es grüne Leuchtturm-Ideen, deren Umsetzung erfolgreich war?

Barbara: Also, was ich da vor allem nennen würde: das Parkraum-Gutachten.

Hucky: Das baut ja alles aufeinander auf. Wir mussten das Geld besorgen, und schlugen dann vor, es nicht mit der Gießkanne auszugeben, sondern konzeptionell vorzugehen. Das ging ja schon früher im letzten Beirat los. Dem damaligen CDU-Vertreter war das Parken wichtig (Barbara: Es gibt wirklich Gegenden im Stadtteil mit einem sehr hohen Parkdruck), mir waren die Fahrradfahrer und Fußgänger wichtig. Dann hab‘ ich gesagt, was können wir denn in diesen überlasteten Bereichen machen, um das Parken sinnvoll zu ordnen, aber nicht auf Kosten von Parkplätzen? Und wie können wir durch eine sinnvollere Ordnung des ruhenden Verkehres Freiräume für Radler und Fußgänger schaffen? Dann habe ich einen Gutachter gesucht und gefunden, der wurde einstimmig beauftragt und vom Beirat aus Globalmitteln bezahlt. Das war ein wunderbares Gutachten, um ganz exemplarisch mal einen Bereich (Anm.: für das Karree zwischen Holler Allee, Wachmannstraße, Schwachhauser Ring und Schwachhauser Heerstr.) genau zu untersuchen und auch zu schauen, ob die Ergebnisse auf andere Bereiche übertragen werden können.

 

Macht das nochmal konkreter.

Barbara: Es ist schon dramatisch in manchen Bereichen, z.B. in der Buchenstraße. Es werden die Gehwege zugeparkt, und zwar so, dass da kaum noch einer zukommt. Und wenn dann da noch die Mülltonnen stehen, geht gar nichts mehr, ohne auf die Straße zu gehen. Da muss einfach was ge-schehen.

 

Was ist nun aus dem Gutachten geworden?

Hucky: Das liegt ja schon seit 2017 vor. Mein erster Antrag zur Umsetzung von Handlungsvorschlägen aus dem Gutachten ist zwar nicht einstimmig, aber mehrheitlich durchgegangen. Nur die CDU hatte zu große Angst um die Parkplätze, alle anderen waren dabei, die SPD und die FDP und auch die Linke sind mitgegangen.

Barbara: Es braucht alles Zeit, insbesondere, wenn man mit dem Verkehrsressort und dem ASV (Amt für Straßen und Verkehr) zu tun hat. Allein schon, bis es zu einem Termin kam … Die fanden das alles unterirdisch, was vorgeschlagen wurde. Z.B. die Idee, einen weißen Strich auf den Gehwegen zu ziehen, so dass immer 1,50 m frei von parkenden Autos bleiben. Es waren Straßen identifiziert worden, wo das geht; das müsste mit Schildern begleitet werden: aufgesetztes Parken. Das sei gegen die Straßenverkehrsordnung. Aber dann, so der Vorschlag des damaligen Staatsrats: Wenn der Landesbehindertenbeauftragte das befürworten würde, dann könnte man einen Modellversuch starten. Der hat dann zur Überraschung mancher gesagt, ja, das probieren wir mal aus. Dann ging es im Beirat weiter, der Behördenvertreter brachte weiter Argumente, warum das alles nicht ginge. Mit mehrheitlichem Beiratsbeschluss ging das dann durch.

Hucky: Zur Unterstützung habe ich ein Rechtsgutachten angestoßen, das bestätigt hat: alles rechtens, und gar nicht im Widerspruch zur Straßenverkehrsordnung. Das Gutachten war unterlegt mit allen möglichen Verwaltungsgerichtsurteilen aus ganz Deutschland. „Muss man nicht machen, kann man aber machen.“ Und nun warten wir auf die Antwort aus dem Ressort, sie ist längst überfällig.

Barbara: Bezahlen würde das übrigens der Beirat. Da gibt es im Moment eigentlich zu viel Geld – was daran liegt, dass wir uns bei konkreten Maßnahmen in letzter Zeit nicht einig waren – Zebrastreifen hier, Ampel vor einer Schule dort. Es ist aber immer auch die Frage, was ist wirklich Beiratsangelegenheit. Wir wollen ja auch nicht auf Stadtteilebene Dinge erledigen, die eigentlich Angelegenheit der Behörde bzw. des ASV sind. Z. B. will die CDU Geh- und Radwege sanieren; wir meinen, wir sollten nicht solche Standardaufgaben aus den Beiratsmitteln finanzieren, sondern eher wegweisende Projekte mit Signalcharakter.

Hucky: Das Problem ist doch Folgendes: Wir haben den Verkehrsentwicklungsplan. Natürlich hat sich der Beirat damals tief eingebracht, mit einer ganzen Reihe von Vorschlägen. Z. B. wurde vorgeschlagen, die Konrad-Adenauer-Allee in beide Richtungen zu öffnen, um die große Belastung der Straße In der Vahr zu verringern. Wann das kommt – in zwei, drei, sechs Jahren – das weiß kein Mensch. Wir haben eine Vielzahl von Sanierungsvorschlägen für Straßen eingereicht, wo man wegen des kaputten Kopfsteinpflasters nicht mehr mit dem Rad fahren kann. Aber lieber wird ein Prestigeprojekt in der Bürgermeister-Spitta-Allee verfolgt. Deshalb muss ich sagen, gerade in verkehrlichen Fragen haben wir nicht „die“ großen Erfolge erzielt. Eher im Gegenteil. Dinge, die uns am Herzen liegen, werden nicht umgesetzt. Das hat viel mit dem Denken in Verwaltung und auch Bürgerschaft zu tun, es soll nicht zu viel an Kompetenzen auf die Beiratsebene gegeben werden; erst recht, wenn es ums Geld geht.

 

Zusammengefasst: Ihr habt viele gute Ideen gehabt, deren Umsetzung scheiterte aber weniger an Uneinigkeit im Beirat, als in der mangelnden Übernahme durch das ASV?

Hucky: Ja, so kann man das sagen.

 

Anderes Thema: Kindergarten- und Grundschulplätze

Barbara: Wir haben in Schwachhausen einfach zu wenige. Das ist seit Jahren so. (Vor 16 Jahren bin ich als Sachkundige Bürgerin in die Beiratsarbeit eingestiegen. Damals war das auch schon Thema.) Es gab bis auf eine Ausnahme in Schwachhausen keinen Hort, und diese Hortgruppe wurde abgeschafft, als der Rechtsanspruch auf Kitas kam. Nachmittagsbetreuung in Schulen ist hier in Schwachhausen immer Elterninitiative. Die haben das immer alleine geregelt. Heute hat über das ganz Private hinaus die jüdische Gemeinde ein Angebot, und der Hockey-Club macht etwas. Aber das sind alles selbst organisierte Dinge der Eltern – die können das hier („Problemstadtteil“). Aber das ist doch nicht richtig. Der Bedarf im Stadtteil ist wesentlich größer als es die beiden Ganztagsschulen an der Gete und am Baumschulenweg leisten können. Natürlich geht es hier im Stadtteil kaum um benachteiligte Familien, sondern um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich kann verstehen, dass die SPD beispielsweise das mit Blick auf andere Stadtteile anders gewichtet. Aber es ist schon frustrierend zu sehen, dass jahrelang nichts passiert. Auch in dieser Frage sind wir uns übrigens im Beirat immer einig.

 

Wenn das jetzt nicht so war, dass es einen Erfolg bei einer großen grünen Idee gab – Ihr habt be-schrieben, bis auf Manches im Verkehr gab es große Einigkeit im Beirat – gab es denn umgekehrt eine solche Idee, die gescheitert ist?

Hucky: Ja, dazu habe ich als Beispiel das Medienhaus an der Schwachhauser Heerstraße, das abgerissen werden soll. Wir hätten das gerne erhalten und haben gekämpft, mit Analysen des Bebauungsplans (aus 1965, aber er hat Gesetzescharakter) und was da alles erlaubt ist zu bauen. Wohnen war demnach dort nicht vorgesehen, aber Garagen und eine Tankstelle wären möglich gewesen. Gegen die Ablehnung des Bauantrags hat der Investor geklagt, und das Gericht gab ihm recht, weil heute doch niemand mehr an der Stelle eine Tankstelle bauen würde. Also, wir haben versucht, das auszubremsen. Das bringt uns zu einem allgemeineren Problem: Wir fordern seit Jahr und Tag, dass wir hier vernünftige Bebauungspläne kriegen. Es gibt Teile in Schwachhausen, da existieren gar keine. Und dann ist es immer eine Ermessensfrage, passt etwas hinein oder nicht. Es wäre dringend angesagt, die Bebauungspläne an die Zeit anzupassen und somit manchen Auswüchsen bei Neubauten Einhalt zu gebieten. Aber, so die Stadt: Dafür gibt es kein Personal.

Barbara: Im Baurecht haben wir wenig Möglichkeiten, etwas für den Stadtteil zu tun. Wir dürfen mal Stellungnahmen abgeben, aber denen wir selten gefolgt. Was im Bereich Bau gut gelaufen sind, sind die zwei Erhaltungssatzungen, die wir zusätzlich zu der schon bestehenden hinbekommen haben. Das dient zur Erhaltung des Stadtbildes, dass nicht jeder bauen kann wie er will. Die Initiative dazu kam einmal aus der Behörde, einmal von uns. Nochmal zu Deiner Frage zu den grünen Ideen. Im Beirat bist Du unglaublich mit dem Tagesgeschäft befasst, ganz viel wird von außen an dich herangetragen. In manchen Zeiten musst du dich stark mit dem Kindergartenthema auseinandersetzen, dann damit und so weiter.

Hucky: Ich habe mich über das Alltagsgeschäft hinaus ja mit diesem Konzept für Fahrradstraßen befasst. Mir war klar, das interessiert keinen. Wir haben ja einen Verkehrswegeplan, an dem sitzen lauter Fachleute … Also ist es wirklich mehr das Alltagsgeschäft. Noch ein Beispiel, wir sprachen schon darüber, und in der Frage waren wir uns auch in der grünen Beiratsfraktion nicht einig. Was mache ich mit den zugeparkten Gehwegen? Man kann völlig zurecht sagen, das geht nicht, der Bürgersteig gehört den Fußgängern. Ich finde nur niemanden, der mir zustimmt, nun den Gehweg mit lauter Pollern abzusichern; im Beirat nicht und auch nicht anderswo. Also versuche ich, einen Kompromiss zu finden, um wenigstens etwas für die Fußgänger zu erreichen. Das ist das Ergebnis, was wir im Parkraumkonzept bisher erreicht haben.

 

Was möchtet Ihr den Nachfolger*innen aus Euren Erfahrungen mit auf den Weg geben?

Hucky: sich kooperativ um die Probleme des Stadtteils kümmern, Achtung vor der Meinung des anderen haben. Du bist da schnell in der Verantwortung um den Stadtteil und nicht in der Rolle, nur grüne Ideen umzusetzen.

 

Ihr beiden kandidiert ja nun nicht mehr und bekommt hoffentlich einen feinen Abschied. Ein Fazit?

Barbara: Wir haben fast ein bisschen viel über Schwierigkeiten gesprochen und an manchen Stellen etwas Frust durchklingen lassen, im Ganzen war das aber eine wirklich gute Zeit. Wenn hier Baum-schutzbügel den Pflanzen dienen und dort mit Fahrradbügeln Parkraum umgewidmet wird – das ist in den kleinen Erfolgen schön. Man wird ein bisschen bescheidener in den Zielen. Der Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern war mir wichtig. Auch wenn sich der Ton wie überall in der Gesellschaft anscheinend auch hier zum Negativen zu verändern beginnt: Es war schön zu erklären, warum wir dieses entschieden haben und das nicht.

Hucky: Überall in der Republik gibt es eine klare Teilung, wofür der Bund, wofür die Länder und wofür die Gemeinden zuständig sind. Die Schnittstellen sind sauber definiert. Nur in Bremen nicht, hier meint die Stadtbürgerschaft, sie hätte alles zu entscheiden, und zwar immer. Das ist so schade. Man könnte so gut kooperativ miteinander, alle in ihren Verantwortungsbereichen, und Gutes erreichen, statt sich ewig aneinander zu reiben.

 

Die Fragen stellte Günther Dey.